5.11.2007 (14:54)
Seit 1998 ist nichts mehr so, wie es scheint. Die Normierung der Begrifflichkeit unserer Umrechnungsfaktoren wurde damals ergänzend festgeschrieben. Die Folge: Eine heillose Verwirrung bei Kunden und Anwendern, und eine Schar von Profis, die sich seither mit Kindergartensprache verständlich machen müssen. Anläßlich eines aktuellen Gerichtsverfahrens in den USA greifen wir dieses Thema auf und bringen Licht in die Zusammenhänge.
Hand auf's Herz: Wer kennt und gebraucht sie, die verordneten Einheiten für den Umrechnungsfaktor 1024, der dank der binären Arbeitsweise von PC & Co in der gesamten IT-Landschaft erforderlich ist? Bis zu jenem denkwürdigen Tag im Jahr 1998 sprach man ganz einfach und ohne ein Problem damit zu haben von Kilo, Mega und Giga. Jedermann wußte, daß damit (anders als bei Äpfeln, Trauben und Tomaten) beim PC eben nicht 1000, 1000x1000 und 1000x1000x1000 gemeint war sondern 1024, 1024x1024 und 1024x1024x1024.
Und niemand hatte ein Problem damit, denn der Mensch ist im Gegensatz zur Maschine dazu befähigt, Worte in einem Kontext richtig einzuordnen und deren Bedeutung entsprechend der Begleitumstände, in denen sie auftauchen, richtig zu interpretieren. Keiner wäre auf die Idee gekommen, deswegen am Marktstand vom Verkäufer 1024 Gramm Bananen zu erwarten, nachdem er 1 Kilo verlangt hat. Und umgekehrt wäre es wohl keinem eingefallen, einen Speicherriegel mit 24 Byte zuwenig auszuliefern, weil er in Kilobyte bezeichnet war.
Was also war geschehen? Einfach gesagt: Die Werbeabteilungen einiger Festplattenhersteller kamen auf die glorreiche Idee, die abweichende Verwendung des Begriffes "Kilo" zu ihren Gunsten auszunutzen und Festplatten mit geringerer Speicherkapazität auszustatten, als nach den geläufigen Bezeichnungen in der IT-Branche üblich gewesen wäre: Sie lieferten bei einer 100MB-Festplatte nicht 104857600 Byte sondern nur 100000000 Byte aus. Ein Unterschied von 4,6 MB, der nicht weiter ins Gewicht fiel, und keiner in der Branche regte sich darüber sonderlich auf.
Heute ist das anders. Heute geht es nicht mehr um ein paar Byte die fehlen, angesichts der heutigen Festplattengrößen geht es da ganz schnell um Dimensionen, die eine separate "kleine" Festplatte ergeben würden.
Und so ist es verständlich, daß sich Kunden betrogen fühlen, wenn ein Festplattenhersteller 500GB auf die Packung schreibt und tatsächlich ist die Platte viel kleiner, wenn er sie an sein System anschließt. Doch, natürlich ist der Hersteller im Recht, denn eigentlich hätte der Kunde eine "500 Gibibytefestplatte" verlangen müssen, dank der nicht mehr so ganz neuen Norm aus dem Jahr 1998.
Für DVDs gilt dies übrigens entsprechend, was der Grund dafür ist, warum das Backup mit 4,7GB Daten eben nicht auf den 4,7GB Rohling paßt.
Die normgerechten Begriffe heißen seither:[INDENT] Kibibyte =1024 Byte
MebiByte =1024 Kibi(!)byte
Gibibyte =1024 Mebi(!)byte
[/INDENT]Durchgesetzt haben sie sich in den vielen Jahren seit Inkrafttreten nicht. Ein Grund mag wohl sein, daß sie einfach zu abwegig klingen, ein anderer, daß sich die vorhandenen Begriffe "Kilo, Mega und Giga" langfristig eingebürgert und bewährt hatten, wohl auch mehr dem Sprachgefühl des Durchschnittsbürgers entsprechen. Wer traut sich, öffentlich so einen Kauderwelsch daherzufaseln, wenn er im Geschäft steht und ein Speichermedium erwerben will?
Nun wurde darum auch noch prozessiert. Ein Urteil gab es nicht, denn man verglich sich, und Seagate verpflichtete sich, allen Käufern von Festplatten vor dem 1.1.2006 einen 5%-Anteil des Kaufpreises zurückzuerstatten - freilich nur in den USA, wo man per Sammelklage gegen die subjektiv irreführende Kennzeichnung vorgegangen war.
Die ganze Sachlage ist reichlich verfahren. Einerseits haben wir normierte Begriffe, die keiner verwendet, die die meisten wohl nicht einmal kennen, andererseits eine Industrie, die um ihrer Wettbewerbsvorteile willen die historisch gewachsenen Begrifflichkeiten geflissentlich ignoriert und ihre Werbeabteilungen anweist, stur auf die normgerechte Verwendung von Kilo als 1000 zu pochen. Unterm Strich eine hausgemachte babylonische Sprachverwirrung. Auch wenn es seit 1998 Norm ist, man wird die Menschen nicht dazu bringen, diese seltsamen Anhäufungen von Buchstaben à la "kibi" zu verwenden. Zumindest wird das wohl noch sehr lange dauern.
Details: Binärpräfix - Wikipedia
Quelle: Cho v. Seagate Technology (US) Holdings, Inc.