Statt nun wieder und wieder die jeweils neuesten Berichte über die Stärkung des Urheberschutzes zu referieren, tut es angseichts der vorliegenden Gesetzesentwürfe zur "vereinfachten Durchsetzung" eines "Anspruches auf geistiges Eigentum" not, einmal die Grundlagen dieses Anspruches ein wenig zu beleuchten.
Versuch über das geistige Eigentum.
Das, was man gemeinhin als "geistiges Eigentum" einzelner bezeichnet, ist nicht viel anderes als ein Konglomerat aus unzähligen Gedanken, Ideen und Entwicklungen Anderer, an denen ein Einzelner keine eigenen Rechte erlangen kann, ergänzt durch einen kleinen Funken, den er selbst hinzugefügt hat.
Ich postuliere: Es gibt diesen Anspruch auf geistiges Eigentum nicht. Es gibt kein geistiges Eigentum. Alles was ein Mensch denken kann, beruht auf dem Wissen seiner Vorfahren und Mitmenschen, auf deren Überlieferung und Anleitung, und ist ohne diese Vorleistungen überhaupt nicht vorstellbar. Der Einzelne, der den Anspruch erhebt, sich seine Gedankenprodukte als geistiges Eigentum schützen zu lassen, um darüber im Sinne des Eigentumsbegriffes verfügen zu können, begeht damit Diebstahl am geistigen Eigentum der Menschheit, welcher es ab diesem Zeitpunkt untersagt wird, die entsprechenden Gedanken durch Andere weiter fortzuführen und auch abseits seiner Zustimmung zu neuen ähnlichen oder daraus abgeleiteten Ergebnissen zu gelangen. Dieses Konzept ist aber die Basis unseres heutigen Entwicklungsstandes. Hätten wir ein entsprechendes Copyright seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte gehabt, würden wir noch heute in Felle gehüllt in Höhlen hausen und nur vielleicht um ein wärmendes Feuer hocken, denn irgend jemand hätte ganz sicher auf diese Entwicklung ein Schutzrecht geltend gemacht oder die Verwertung der Erkenntnise um seines wirtschaftlichen Vorteils willen eingeschränkt oder untersagt. Die Absurdität des Anspruches auf "geistiges Eigentum" sollte spätestens bei dieser Überlegung jedem einleuchten.
Somit ist die Behauptung eines Anspruches auf geistiges Eigentum nichts weiter als ein Innovationshindernis für die Zukunft der Menschheit, fußend auf einer maßlosen Selbstüberschätzung desjenigen, der ein solches Eigentumsrecht für sich in Anspruch nimmt.
Kein Ökonom hat jemals geschrieben, daß es von wirtschaftlichem Vorteil für eine Gesellschaft oder ein Staatswesen sei, ein angebliches geistiges Eigentum zu schützen. Diese Vorstellung entspringt rein betriebswirtschaftlichen und sehr kurzsichtigen Betrachtungsweisen, ein Blickwinkel, der in seiner Begrenztheit für Menschen, die mit der Leitung eines Staatswesens befasst sind, gradezu gefährlich ist wenn sie ihn sich zu eigen machen. Dazu zählen neben Urheberrechten auch Patente und ähnliche Schutzrechte.
Schutzwürdig wäre allenfalls der im Verhältnis zu den Vorleistungen verschwindend geringe Anteil, den der Einzelne hinzugefügt hat um zu einem neuen Geistesgut zu gelangen. Nicht einmal ein Genie wie Albert Einstein oder Johann Sebastian Bach hat aus sich selbst heraus geschöpft, sondern 99,9 Prozent auf bereits bestehendem aufgebaut. Auf eine angemessene Vergütung dieses kleinen Anteils hat jeder Anspruch, der die Menschheit um einen wirklich neuen Gedanken bereichert. Aber nur auf die Vergütung, nicht auf die Verfügung über die weitere Nutzung desselben. Der Gedanke kann niemals in sein Eigentum übergehen, da der Einzelne auch kein Eigentum an den Gedanken Anderer besitzen kann, die zu seiner neuen Idee geführt haben, dieser also innewohnen. Nur ein echter Kaspar Hauser dürfte ein solches Recht für sich in Anspruch nehmen, und jeder mag sich selbst ausmalen, inwieweit ein auf solch bedauernswerte Weise Mißhandelter dazu fähig ist, ohne jede Anleitung oder Literatur nur aus sich selbst heraus schöpfend den Anschluß an den heutigen Kenntnisstand der Menschheit zu finden. Die Schöpfung neuer Ideen fußt auf der Notwendigkeit, bestehende Gedanken immer von neuem zu wiederholen, nach und nach abzuwandeln und dabei durch unzählige Köpfe gehen zu lassen. Dieser Prozess darf nicht zugunsten von Machterhalt und persönlicher Vorteilsnahme eingeschränkt oder behindert werden, er ist der Garant der menschlichen Überlebens- und Zukunftsfähigkeit.
Wo ein geistiges Eigentum nicht existiert, kann ein solches auch nicht geschützt werden. Kein Staat auf der Erde hat dazu die Befugnis. Wenn ein Staat dies dennoch versucht, unter dem beständigen massiven Druck, den Machtansprüchen von diversen Interessenverbänden, begibt er sich bereits auf den Weg zu einem totalitären Regime: Er muß seinen Bürgern ihr ureigenstes Recht zu selbständiger Innovation nehmen, das Recht, aus den Gedanken ihrer Mitmenschen und Vorfahren Neues zu schöpfen. Da die meisten Menschen solch eine unnatürliche Einschränkung ihrer Freiheit nicht hinnehmen, folgen logisch daraus zunächst gravierende Einschnitte in die Rechte des Einzelnen, um ihn auf die Einhaltung der gesetzten Vorschriften hin kontrollieren zu können. Die Überwachung muß immer perfekter und lückenloser stattfinden, um die fälschlich als unrechtmäßig definierte Nutzung geistiger Werte zu unterbinden. Dies kann auf Dauer nicht genügen. Es werden massive Bedrohungsszenarien folgen, die Inhaber der geschaffenen Machtpositionen werden ihr angebliches Recht gegenüber Einzelnen rücksichtslos durchsetzen, unterstützt von einem Staat, der seine Gesetze ihrem Willen völlig unterworfen hat, immer in der Absicht, nur das Beste für seine Bürger zu wollen.
Armes Deutschland.
Wir waren einmal eine Nation von Dichtern und Denkern.
Ich mag nicht hinsehen, was wir in Zukunft infolge solcher Entwicklungen sein werden.
nachdenkliche Grüße
Funkenzupfer.