XP auf 2 Rechner ?

  • c´t 20/2002 Seite 212
    Peter Siering
    Windows XP freizügig
    Windows XP: OEM-Versionen ohne Hardware-Fesseln
    Hartnäckig hält sich die Meinung, dass eine zu einem PC gelieferte OEM-Version von Windows XP nur auf dem jeweiligen PC lauffähig ist. Doch das scheint nur das zu sein, was Microsoft die Kunden glauben machen will. Unsere Recherche belegt, dass es in der Praxis anders aussieht.
    Wer heute einen PC kauft, bekommt meist eine Windows-Lizenz dazu. Der Versuch, sie einzeln zurückzugeben, scheitert - der Händler nimmt nur das ganze Paket oder gar nichts. Der Hinweis, dass der Käufer die Software zurückgeben kann, ist also reine Makulatur. Das ist ärgerlich, weil es sich oft um ein funktionsbeschränktes Windows handelt - so die verbreitete Meinung: Die Lizenz scheint technisch mit der Hardware verheiratet, die Installation läuft nur mit spezieller Recovery-Software und plättet die Benutzerdaten. Doch niemand muss sich heute als Windows-Benutzer zweiter Klasse fühlen oder behandeln lassen.
    Im Sommer 2000 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es über die Großhandels-, Handels- und Käuferkette rechtlich nicht haltbar ist, PC-Hardware und Windows untrennbar zu verbinden, also ein separater Verkauf des Klagegegenstands (DSP-Versionen) rechtens ist. Aus dem Urteil lässt sich ableiten, dass der Käufer eines PCs das beiliegende Windows sehr wohl weiterverkaufen (sofern er freilich keine Kopie zurückbehält) oder es auf einem anderen PC benutzen darf.
    Durch spezielle Mechanismen der Recovery-Software lässt sich das Wiederherstellen des Lieferumfangs nur auf dem jeweils gekauften PC-Modell anwenden. Das ist nicht der einzige Haken: Viele dieser Mechanismen heilen nicht etwa ein krankes System, sondern löschen brutal die bestehende Installation. Bei einem Gutteil gehen dabei auch die Benutzerdaten verloren, weil sich nicht eine einzelne Partition restaurieren lässt, sondern nur die ganze Platte. Oft finden sich zudem nachher Beigaben dort, etwa Video-Software, auf die ein Anwender liebend gern verzichten würde.
    Für Windows ME konnte c't schon vor einiger Zeit zeigen [1], wie man aus dem vom PC-Hersteller gelieferten Dateisalat eine installierfähige Windows-CD erzeugt. Obwohl das zwar mit einem Sortieren und Umordnen der Dateien einherging, ist das nicht illegal: Laut BGH ist die untrennbare Bindung zwischen Hard- und Software übers Urherberrecht nicht erzwingbar und der Käufer hat das Recht, ein Backup anzufertigen - und mehr passiert schließlich nicht. Wenn es anders wäre, hätten wir sicher schon von Microsofts Rechtsabteilung Post bekommen.
    Sonderfall Windows XP
    Bei Windows XP scheint das zunächst schwieriger: Schließlich hat Microsoft bei dieser Version die `Produktaktivierung´ eingeführt. Der Käufer wird zwangsverpflichtet, binnen 30 Tagen nach Installation mit Microsoft Kontakt aufzunehmen und das System frei zu schalten - sonst stellt es den Dienst ein. Die Freischaltung erfolgt in Abhängigkeit von der PC-Hardware anhand von Prüfsummen. Microsoft kann zwar nicht auf einen konkreten PC schließen, aber Änderungen, womöglich einen anderen PC, erkennen.
    Die Schutzmaßnahme vor der Verbreitung illegaler Kopien ist keineswegs perfekt. Schon vor der Markteinführung kursierten Tricks, mit denen man sich darüber hinwegsetzen kann. Im ersten Service Pack für Windows XP hat Microsoft nachgebessert - doch auch hier kursieren inzwischen Lösungen, die den Aktivierungszwang umgehen. Seine abschreckende Wirkung verfehlt der Mechanismus dennoch nicht: Wer begründet schon gern am Telefon, warum er sein Windows innerhalb von 120 Tagen jetzt schon wieder neu installiert hat.
    Wohl aufgrund dieser Maßnahme ist der Eindruck entstanden, dass eine zum PC gelieferte OEM-Version von XP nur auf dem zugehörigen Gerät funktioniert beziehungsweise dass es ein Problem ist, eine solche Version frei schalten zu lassen, wenn man sie auf einem anderen PC installiert. Doch das ist mitnichten der Fall: Rund ein Dutzend OEM-Versionen, die wir ausprobiert haben, ließen sich klaglos auf beliebigen PCs installieren. Der CD-Key genügte dafür, der normalerweise am begleitenden PC-Gehäuse klebt.
    Im Anschluss an die Installation forderte Windows XP zwar eine Aktivierung, doch die war bei allen PCs problemlos über das Internet möglich. Offenbar war keiner der CD-Keys jemals zuvor für eine Aktivierung benutzt worden - also auch nicht bei der Vorinstallation des Betriebssystems durch den Hersteller. Wer sich jetzt fragt, was der Unterschied zwischen einer OEM-Version und den separat im Handel befindlichen Versionen (bei XP nur noch so genannte DSP-Versionen) ist, dürfte über die Antwort verblüfft sein - die Kurzform lautet: grundsätzlich keiner.
    Im Detail finden sich dann aber doch welche. Wie uns ein großer PC-Hersteller im Vertrauen steckte, sollen sich diese Versionen auf dem jeweils mitgelieferten PC installieren lassen, ohne dass eine Aktivierung überhaupt nötig wäre. Das indes konnten wir nicht verifizieren: Unsere Testsysteme forderten jedes Mal eine Aktivierung, selbst wenn wir sie mit der zugehörigen XP-Version installierten - mag sein, dass es Systeme gibt, wo das anders läuft.
    Darreichungsformen
    Der Weg, um aus den beigefügten CDs ein separat auf einem anderen PC installierbares Windows XP herauszulösen, erfordert je nach Ausgangslage einige Handgriffe. Uns sind zwei verschiedene Arten begegnet, wie die Hersteller XP einem PC beilegen. Die erste ist trivial - man muss nichts tun: Im Paket findet sich eine CD, die sich der Beschriftung nach als Recovery-CD zu erkennen gibt - mit dem eindringlichen Hinweis, sie funktioniere nur auf dem zugehörigen PC. In der Tat aber handelt es sich um eine klassische Endverkaufsversion, auf deren CD nur wenige Dateien wirklich anders sind.
    Mehr Schein als Sein: Bei vielen vermeintlichen Recovery-CDs handelt es sich tatsächlich um normale Installations-CDs, die auf einem x-beliebigen PC laufen.
    Legt man eine solche Scheibe beim Booten des PC in das CD-Laufwerk und sind dessen BIOS-Einstellungen entsprechend gewählt, startet die herkömmliche XP-Installationsroutine. Wer diese Art von `Recovery-Prozedur´ über seinen PC ergehen lässt, erhält dabei die normalen Wahlmöglichkeiten und hinterher eine `stinknormale´ XP-Installation. Ihr fehlen dann jedoch oft die Treiber und Software, die bei der Vorinstallation schon integriert waren - geeignete Treiber sollten sich dann aber im Lieferumfang des PCs finden. Auch auf PCs anderer Hersteller laufen diese XP-Installationsroutinen tadellos.
    Es gibt bei dieser Art von CD geringfügige Abweichungen von der üblichen Prozedur: So fragen die Dell-Versionen zum Beispiel keinen CD-Key ab. Erst wenn man mit dem System arbeitet, fällt auf, dass es noch nicht aktiviert ist. Beim Versuch, den Installationscode an Microsoft zu übermitteln, merkt XP dann offenbar, dass ihm ein gültiger CD-Key fehlt, und es fordert zur Eingabe desselben auf. Nimmt man den, den Dell am Gehäuse des PC angebracht hat, so lässt sich das System klaglos aktivieren - das ist auch der Fall, wenn es sich gar nicht um das Dell-Gerät handelt, sondern um einen x-beliebigen PC eines anderen Herstellers.
    Die zweite Art, auf die PC-Hersteller XP ihren Systemen beilegen, macht deutlich mehr Arbeit. Sony beispielsweise legt seinen Notebooks keine direkt installierfähige CD bei, sondern echte Recovery-CDs - aufgrund der umfangreichen Beigaben bei einigen Geräten sogar drei Stück. Startet man eine solche CD, dann fährt ein abgespecktes DOS statt einer XP-Installationsroutine hoch. Es führt Programme aus, die zunächst prüfen, ob es sich tatsächlich um den korrekten PC handelt, um dann aus einer auf die CDs verteilten Image-Datei eine Plattenpartition oder auch die ganze Platte in den Original-Auslieferungszustand zu bringen.
    Stichproben auf einigen solcher `echten´ Recovery-CDs ergaben, dass man nur geringe Chancen hat, in den Prozess einzugreifen: Viele Hersteller nutzen eigene Software, um die Image-Dateien auszulesen - das heißt, mit den Standardwerkzeugen etwa von PowerQuest (DriveImage) oder Symantec (Ghost) kommt man an die Daten darin kaum heran. Wer sich viel Mühe macht, den DOS-Startteil der CD analysiert, die beteiligten Batch-Dateien ändert und das Ganze wieder in einer startfähigen CD zusammenfasst, mag die Recovery-Prozedur auch auf einem anderen Rechner anstoßen können - aufgrund der Eingriffe aber stellt das sehr wohl einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar.
    Der Königsweg
    Auf den meisten uns zugänglichen Systemen gab es einen viel einfacheren Weg zu einer Windows-XP-Installations-CD: Viele PC-Hersteller legen auf den Festplatten ihrer Geräte nicht nur die für Windows XP selbst nötigen Dateien ab, sondern zusätzlich auch den zur Installation benötigten Ast `i386´, den jede installationsfähige XP-CD enthält. Das Verzeichnis fanden wir je nach Hersteller im Hauptverzeichnis des Startlaufwerks oder unterhalb des Windows-Verzeichnisses. Auch auf Systemen, die weder eine Installations- noch eine Recovery-CD mitbringen, existiert es oft.
    Die alleinige Existenz des Verzeichnisses mit dem Namen i386 ist allerdings nur ein Indiz. Es ist vollständig, wenn es einen Umfang von mindestens rund 420 MByte hat. Die Anzahl der Dateien schwankt: Die kleinste Home Edition bestand aus 5981 Dateien; eine Original-CD ist wegen der enthaltenen Update-Funktionen größer. Auf einigen Dell-Notebooks fanden wir ein gleichnamiges Verzeichnis, das aber nur knapp 1000 Dateien enthält und damit unvollständig ist (was hier nicht weiter tragisch war, weil dem Gerät ohnehin eine bootfähige XP-CD beilag).
    Wer ein vollständiges i386-Verzeichnis auf seiner Festplatte findet, kann sich daraus leicht eine eigene bootfähige XP-CD backen (siehe Kasten). Wer den ganzen Umstand nicht auf sich nehmen möchte, kann die Dateien auch schlicht auf eine andere Platte oder auf ein CD-R-Medium kopieren und von dort aus unter DOS die Installation von XP starten. Anders als bei vorherigen Windows-Versionen braucht man dazu keine großen Kunstgriffe: Es genügt, im Verzeichnis i386 das Programm `winnt´ aufzurufen - den Namen des Verzeichnisses darf man indes nicht ändern.
    Der einzige vielleicht bedenkliche Haken an der Geschichte, wenn man sich ein bootfähige CD brennen will, besteht im Boot-Code für die CD. Der findet sich leider nicht auf der Festplatte. Anders als bei Windows 9x/ME handelt es sich dabei auch nicht um eine spezialisierte DOS-Bootdiskette, die man selbst herstellen und auf die CD brennen könnte, sondern um speziellen Code (vier Sektoren) - letztlich muss man diesen Code mopsen, etwa von einer ausgemusterten Windows-2000-CD, wenn man auf den Komfort der bootfähigen CD nicht verzichten will (siehe Kasten).
    Lohn der Mühe
    Wofür lässt sich eine selbstgemachte XP-CD nun einsetzen, wenn man sie nicht verkaufen will? Sie erlaubt anders als die Recovery-Mechanismen eine gezielte Neuinstallation des Systems - allerdings muss man sich dann Treiber und dergleichen selbst besorgen und auf im Image des PC-Herstellers integrierte weitere Beigaben verzichten. Sie erlaubt eine Parallelinstallation des Systems, etwa für Wartungszwecke. Sie gestattet das Einrichten der Reparaturkonsole, ohne dass man bei Microsoft sechs Diskettenimages herunterlanden muss. Ferner kann man in eine solche CD das aktuelle Service-Pack integrieren (siehe Kasten).
    Die Anleitung könnte auch für all diejenigen rechtzeitig kommen, die angesichts der verschärften Aktivierung im Service Pack 1 jetzt erst ihr legal erworbenes Windows XP verwenden wollen, weil sie bisher eine aus dem Internet besorgte Firmenlizenz einsetzen, um der Aktivierungspflicht zu entgehen. Startet man die Installation von der (OEM- oder DSP-)CD und lässt sie gewähren (wählt also auf die erste Frage hin keine Reparaturfunktion aus, sondern die Installation), so bietet XP später das Drüberinstallieren über das bestehende Windows an: Das Setup sucht bestehende Installationen und bietet an, sie zu reparieren.
    Umrüsten fürs Service Pack: Die Installationsroutinen von Windows XP bergen zwei Reparaturhilfen - die erste muss man ausschlagen.
    Anders als bei Windows 9x ist das Drüberinstallieren bei XP in der Regel erfolgreich - eine Garantie dafür gibt es natürlich nicht. So lässt sich aus einer Firmenkundenversion auch eine `normale´ Version machen - die will freilich nach der Installation dann auch aktiviert werden. Dabei ist es allerdings nicht möglich, eine Professional für Firmenkunden mit einer Home Edition aufzufrischen - in einem solchen Fall bietet die Setup-Routine die Reparatur erst gar nicht an. (ps)
    Literatur
    [1] Georg Schnurer, Befreit!, Windows-ME-Verdongelung ausgehebelt, c't 10/01, S. 108 und c't 12/01, S. 230
    Soft-Link 0220212



    http://forum.windows-tweaks.in…hp?threadid=5427&sid=