23.7.2007 (14:02)
Vista - eine vorläufige Bilanz
Nach einem knappen halben Jahr Vista zeigt sich die Industrie wenig begeistert vom neuen Betriebssystem auf Microsoft-Basis. Financial Times Deutschland zitiert Gianfranco Lanzi, den Präsidenten des weltweit viertgrößten Computerherstellers Acer, mit den Worten "Die ganze Industrie ist enttäuscht über Windows Vista".
Hauptursachen sieht Lanzi u.a. im enormen Leistungshunger des
Systems, der dafür sorgt, daß Vista selbst auf modernen und leistungsfähigen Systemen vom Vorjahr dem Anwender wenig Freude bereitet und nur eingeschränkt lauffähig ist. Er hegt begründete Zweifel daran, daß sich viele Kunden nur wegen Vista einen neuen PC anschaffen werden. Zumal es immer mehr Alternativen gibt, die dem Privatanwender völlig gerecht werden und einen vergleichbaren Funktionsumfang auf herkömmlicher Hardware bieten. Geschäftskunden hingegen setzen auch heute noch auf Windows XP und bitten regelmäßig darum, dieses Betriebssystem statt Vista ausgeliefert zu bekommen. Ein Wunsch, den die Hersteller auf Dauer wohl nicht erfüllen können: Microsoft erlaubt den Herstellern nur noch den Abverkauf ihrer auf Lager liegenden XP-Lizenzen, neue sind aus Redmond nicht mehr zu bekommen. Ab 31.Januar 2008 ist dann für OEM endgültig Schluß mit neuen XP-Lizenzen.
Harte Worte findet Lanzi auch für die Qualität von Vista: Trotz jahrelanger Ankündigung und Wartezeit sei Vista unausgereift auf den Markt gekommen. Und das, obwohl viele der ursprünglich vorgesehenen Funktionen gar nicht erst implementiert worden sind und stattdessen auf bereits seit NT 4.0 bekannte zurückgegriffen wurde.
Angesichts des Desasters (Microsoft hat dank Zwangsauslieferung auf neuen Consumer-PC's mit Vista grade mal den unteren Rand der eigenen Schätzungen erreicht) redet sich der Deutschland-Chef des Konzerns, Achim Berg, die Welt schön: Vista sei in Deutschland ein großer Erfolg.
Nüchterne Analysten und Marktforscher wie z.B. Gartner sehen das anders: Vista bietet einfach nicht genügend unverzichtbare Funktionen, ohne die der (Heim-)Anwender seinen PC nicht vollständig nutzen könnte. Es besteht keine Notwendigkeit, eine gut funktionierende Hardware durch einen deutlich leistungsfähigeren Computer zu ersetzen, nur um damit den Leistungshunger von Vista zu befriedigen. "Vista ist keine Revolution", so Gaartner. Das Konzept, eine ganze Gesellschaft an eigene, patentrechtlich geschützte Formate zu binden, funktioniert nur noch bedingt, nachdem immer mehr Kunden die persönlichen Einschränkungen wahrnehmen, die mit der Nutzung dieser Formate verbunden sind.
Angesichts dessen ist es nur zu verständlich, daß Microsoft erneut zu einer altbekannten Strategie greift, um weltweit Marktbeherrschend und damit Quasi-Monopolist zu bleiben: Die unlizenzierte Nutzung von Windows in den neuen fernöstlichen Märkten wird augenzwinkernd geduldet, wie seinerzeit auch hierzulande. Bill Gates hat gute Gründe dafür, äußerte er sich doch unlängst dazu sinngemäß: Jedes illegale Windows stärkt dort unsere Marktmacht und sorgt dafür, daß sich Konkurrenten und freie Systeme nicht behaupten werden. Das Verfahren hat im Hause Gates Tradition, bindet es doch langfristig potentielle Kunden an die eigenen, proprietären Formate.
Für den deutschen, Microsoft-treuen Konsumenten bleibt die Hoffnung: Vista-Nachfolger Windows 7 kommt schon 2009/2010. Sehn' wir mal, ob den Entwicklern in Redmond damit endlich der große Wurf gelingt, der uns eigentlich schon für Vista versprochen war.
Quelle: Financial Times Deutschland